Das einzige Felswatt in der deutschen Bucht gibt es rund um eine einmalige Insel: Helgoland. Während an der Küste der Nordsee sonst Schlicklandschaften, Dünen und Flussmündungen vorherrschen, gibt es an der Nordost- und der Südwestseite von Helgoland ein kleines Felswatt.
Aber wie kommt ein Felsen mitten in die sandige Deutsche Bucht der Nordsee?Erdgeschichtliche Entstehung:
Unter den verschiedenen Erdschichten der Erdzeitalter in Norddeutschland befindet sich auch eine mächtige Salzschicht, die an verschiedenen Orten an die Oberfläche drängt (vgl. Segeberg, Lüneburg), so auch unter Helgoland. Dort bog ein Salzstock die darüberliegenden Schichten (v.a. Muschelkalk und Bundsandstein) bis zu 500m nach oben, an der Südwestküste rissen die Schichten (siehe auch Abb. 2a). Die Verwitterung ließ den Berg immer kleiner werden, das steigende Meer nagt an der Grundfläche (Abb. 2c), ein Felsplateau kurz unter der Wasseroberfläche entstand.
Es handelt sich bei dem Helgoländer Felswatt also um eine Abrasionsterasse: der flache, bis zu 500m in die Nordsee reichende Felsgrund entstand während jahrtausendelanger Erosion der Helgoländer Felsen, die so immer kleiner wurden. Der Abtrag des Felsens ist, bis auf einige kleinere Felsnasen und die Nordostküste, durch einen ab 1911 vorgebauten Betonsockel ("Preußenmauer") zum Erliegen gekommen. Die Nordostküste liegt im Schutz einer ab 1934 gebauten Mole.
Der rote Fels Helgolands ist Bundsandstein. An versteinerten Strömungs-Rippeln (Abb. 2d) lässt sich gut erkennen, dass Bundsandstein maritimen Ursprungs ist, er entstand durch Sedimentation (Absinken von Schwebstoffen) vor 240 Millionen Jahren im Trias. Die Gesteinsschichten sind also ehemaliger Meeresboden, und richtig findet man mit viel Glück auch Versteinerungen in aufgeplatzten Gesteinsbrocken. Weiter enthält der Felsen auch Einschlüsse wie Salze und sogar Kupfer, der im Mittelalter für eine bescheidene Kupferindustrie augebeutet wurde. Jetzt bietet der "Schon-wieder-Meeresboden" zahlreichen Algen mit ihren Haftkrallen eine solide Besiedlungsgrundlage.
Ökologische Dimensionen:
Das Felswatt unterscheidet sich als Lebensraum zweifach grundlegend von den naheliegenden Küsten: die meisten Lebewesen müssen auf(!) dem Gestein siedeln und können sich nicht im Boden verstecken.
Und durch die besondere Geschichte Helgolands und die schräg verlaufenden Gesteinsschichten unterschiedlicher Härte ist die Abrasionsterasse stark zerklüftet. Die parallel verlaufenden Strukturen im Bild rechts zeugen davon. Unter ökologischen Geschichtspunkten ist diese Oberflächenstruktur ein großes Glück, vervielfältigt sich doch so die Größe der Lebensräume und eine besonders zahlreiche Artenvielfalt konnte sich herausbilden.
Das nebenstehende Foto, das gegen die untergehende Sonne bei Springtide aufgenommen wurde, zeigt einen Teil des Südwestwatts.
Auf dem Gestein haben sich Tangwälder angesiedelt (Abb. 4a+f), die weitere ökologische Nischen bieten und vielen Tierarten bei Ebbe einen geschützen, feuchten Lebensraum bieten.
Der Besuch des Felswattes ist verboten (und wäre wegen des Steinschlages aus der nahen Felswand, des zerklüfteten Untergrunds und der bis zu 30cm dicken den Felsen bedeckenden glitschigen Algenschicht sowieso nicht zu empfehlen).
Gesteinsküsten sind häufig in einem Maße mit Pflanzen bewachsen, wie es sich angesichts der übrigen Wattenmeerküste mit ihren auf den ersten Blick öden, weiten Flächen kaum vorstellen lässt. Und auch ein erholsamer Wattspaziergang bei Ebbe ist in einem Felswatt unmöglich. Die dann trockenliegende Algenauflage kann bis zu 30cm betragen und ist sehr glibschig.
Die Begrifflichkeiten für diese Pflanzenmasse erscheint häufig unscharf: Algen?(See)Tange?Kelb?
Folgend der Versuch einer Einordnung:
Es gibt 1. Mikroalgen (häufig Einzeller, die auch für die Algenblüte verantwortlich sind und den daraus resultierenden Schaum am Strand hervorrufen)
und 2. Makroalgen (mehrzellige, mit bloßem Auge sichtbare Wasserpflanzen, die trotzdem nicht zu den eigentlichen Pflanzen gehören).
Letztere werden unterteilt in Grün-, Rot- und Braunalgen, ihrer Farbe entsprechend; und werden, wenn sie an der Meeresküste wachsen, auch Seetang, 'Tange' genannt. Wegen ihrer Bestandsdichte und Größe der Pflanzen spricht man gelegentlich von Kelp oder Kelpwäldern, allenfalls ist in der Nordsee um Helgoland dieser Lebensraum anzutreffen.
Der Thallus (Pflanzenkörper) der Algen ist analog zu dem der höheren Pflanzen aufgebaut, auch wenn keine Verwandtschaft besteht. Dieser Bau hat sich offensichtlich mehrfach (konvergent) entwickelt, da hieraus Vorteile entstehen, wie am Beispiel des Palmentangs gezeigt werden kann:
Der Palmentang (Laminaria hyperborea):
Der Bau dieser Pflanze (Abb. 4a+b) macht den Namen augenscheinlich: Die Braunalge gliedert sich in etwa analog zu den höheren Landpflanze in drei Grundorgane: Haftkralle (dem Rhizoid - keine Wurzel, da eine Wurzel auch der Versorgung mit Nährstoffen dient), Stengel (Cauloid - Stoffleitung und Reck des 'Blattes' zum Licht, um die Fotosyntheseleistung zu verbessern, es sind im Querschnitt sogar Jahresringe zu erkennen) und Blatt (Phylloid).
Das Blatt wird im Frühjahr, wenn durch den höheren Sonnenstand wieder mehr Licht zur Verfügung steht, durch ein neues ersetzt. Auch das erinnert an die Landpflanzen. Allerdings wächst beim Palmentang das neue Blatt an der Basis des alten nach, schiebt dieses nach oben. Bei stärkeren Wasserbewegungen, z.B. einer Sturmflut, werden die alten Palmentang-blätter abgerupft und z.B. an den Strand gespült. Palmentang kann bis zu 15 Jahre alt werden.
Auf dem Blatt bilden sich im Winter Sporangien, in denen kleine Zoosporen entstehen, kleine zellfädige Lebewesen, die bei 4° - 10° Wassertemperatur Eizellen und Spermien bilden. Wenn diese sich darauf befruchten, kann die junge Zygote zu Boden sinken und ein neuer Palmentang aufwachsen.
Dichte Kelbwälder an der Küste von Norwegen und Schottland werden auch industriell abgeerntet zur Gewinnung von Alginat, einem Verdickungs- und Geliermittel.