Abb.1 &2: Sandwatt aus der Luft: Hier entsteht durch veränderte Strömungsverläufe im Watt zwischen Föhr und Sylt gerade eine neue Insel. Der Sand wurde schon deutlich über Normalnull angehäuft wie die Flutsäume erkennen lassen. Die Aufnahme stammt von 2006. Das Katasteramt hat die Insel 'Kormoraninsel' getauft. | ||
Wattwanderer im Watt zwischen Föhr und Sylt. Vorne im Bild ein Priel mit Prielkante, dahinter Wanderer auf dem Weg nach Amrum, im Hintergrund Hörnum. Weite Wattflächen sind hier Sandwatt aufgrund der Dynamik des auf- und ablaufenden Wassers. Vereinzelte Steine bieten Haftgrund für Algen und Tange (schwarze Flecken im Vordergrund). | ||
Mischwatt hat etwas größere Korngrößen (0,06-0,1 mm) und ist mit Wattwürmern dicht besiedelt- bei Ebbe sieht man zahllose Kothaufen. Der Bodenwassergehalt beträgt 25-50% und die Reduktionsschicht fängt in 1-2 cm Tiefe an.
Für die Beschreibung des Lebensraums erscheint es sinnvoll, Sand- und Mischwatt zusammen vorzustellen, da sie kaum voneinander getrennt werden können. Grundätzlich entsteht das Sandwatt in allen Bereichen, die Wasserbewegungen ausgesetzt sind und wo folglich keine feinen Schwebstoffe zu Boden sinken können. So fehlt die Nahrungsgrundlage aus Detritus und Kieselalgendecke für eine intensive Besiedlung durch viele Schnecken und Muschelarten; durch die Strömungen findet eine ständige Umlagerung der Sedimente statt. Im Mischwatt ist ein Übergangsstadium zu sehen - so könnte sich die Kieselalgendecke in Abb. 3c in strömungsexponierter Lage nicht ausbilden.
Prägende Unterschiede ergeben sich auch bei den abiotischen Umweltfaktoren Sauerstoffgehalt, Temperatur und Salzgehalt. Der Sauerstoffgehalt der Nordsee wird hauptsächlich durch Fotosynthese von Algen, Tangen und Diatomeen sowie die Wasserbewegung bestimmt. Sie ist somit Jahreszeiten- und Witterungsabhängig: Während im Sommer eher die Fotosyntheseleistung der Pflanzen den Sauerstoffgehalt bestimmt, können dies im Winter nur stärkere Winde und Stürme sein. Die Werte können im Sommer bei bedecktem Himmel bei 40-70% liegen, bei starkem Sonnenschein zwischen 90-105% - teilweise ist also sogar eine Übersättigung möglich.
Auch der Salzgehalt hängt stark von den Witterungsverhältnissen ab. Bei Regen wird das Meerwasser auf dem Wattboden verdünnt und der Meeresboden süßt aus. Scheint dagegen die Sonne, verdunstet das Wasser und der Salzgehalt kann sich erhöhen. So wurden im Watt bei Dunsum/Föhr bei Regen Salinitätswerte um 26promille gemessen.
Der durchschnittliche Salzgehalt der Nordsee liegt bei 30-43promille.
Bei Sonnentagen kann sich der obere Wattboden stark aufheizen - jedoch nimmt die Temperatur alle 5cm um ca. 1°C ab. Die Bewohner des Wattbodens sind also nicht nur vor allzu hungrigen Blicken von Fressfeinden geschützt, sondern profitieren zusätzlich von einem stabileren Milieu: auch die evtl. Aussüßung durch Regen ist im Boden nicht nachweisbar.
Abb. 3: a) Bei Ebbe sieht man im Boden gut die Eingänge (Löcher) der U-förmigen Wohnröhren des Wattwurms (Arenicola marina) sowie die Kothaufen. Die graue Farbe zeigt, dass die Wohnröhre bis in die sauerstoffarme Reduktionsschicht reicht. Der Wurm muss also sauerstoffreiches Wasser und Nahrungsstoffe einstrudeln. b) Daneben ist eine trockengefallene Rotalge zu erkennen - Algen und Tange können nur dort Wachsen, wo sich Möglichkeiten zum Anheften bieten wie Steine oder Muschelschalen. Diese wiederum sind häufig mit Seepocken (Semibalanos balanoides) bewachsen. c) Der Wattboden ist mir einem rötlichen Schmier bedeckt - eine Kieselalgendecke, die bei Flut von Schnecken abgeweidet wird d) Teile eines alten Wracks zwischen Föhr und Amrum, dessen Planken mit Seegras bewachsen sind (zum Vergrößern Bilder anklicken). |
Typische Bewohner im Boden sind der Bewehrte Pfahlwurm (Scoloplos armiger) und der Bäumchenröhrenwurm (Lanice conchilega) und der Opalwurm (Nephtys hombergi) sowie der Wattwurm (Arenicola marina). Letztere fühlen sich allerdings in allen Sedimentzusammensetzungen wohl. Reines Sandwatt hat eine wüstenähnliche Anmutung. Finden sich wie im Watt vor der Westküste Föhrs aber Steine und kleine natürliche Riffs sowie größere Muschelschalen toter Muscheln und Schnecken, dann sind auch einige Markophyten, große Algen und Tange, zu sehen: sie können sich daran anheften, Seepocken wachsen. Zwischen größeren Strömungsrippeln können sich Gezeitentümpel bilden, aus denen das Wasser nicht abläuft. Sie sind Rückzugsorte für viele kleine Tiere und Fische, die es nicht mehr geschafft haben mit dem Ebbstrom in die tieferen Priele zu kommen.
Der Wattwurm (Arenicola marina)
Wattwürmer laichen im Herbst - Männchen geben den Sperma ins Wasser ab, der mit dem Wasser durch die Kotröhre zu den Weibchen gelangt. Nach der Befruchtung vergehen drei Wochen, bis die 1mm großen Larven den Muttergang verlassen. Angeheftet an Steinen und Muscheln und in einer Schleimhülle geschützt überwintern sie und lassen sich im Frühjahr ins Schlickwatt treiben, wo sie weniger Fressfeinde haben. Im nachfolgenden Herbst mit einer Größe von 2-6cm suchen sie dann aktiv die Siedlungsräume der Eltern auf, das Sand- bzw. Mischwatt (nach Kock 1998).
Einer der bekanntesten Bewohner ist die Strandkrabbe (Carcinus maenas), auch 'Dwarslöper' genannt - plattdeutsch für Querläufer: der Name beschreibt die eigentümliche Fortbewegungsrichtung seitwärts. Die Strandkrabbe gehört zu den Krebsen wie auch der Hummer oder die Garnelen. Letztere sind die 'Krabben' die auf das Krabbenbrötchen kommen, nicht die Strandkrabbe. Der Krebsen typische lange Schwanz ist unter den Rumpf geklappt. Sie hat fünf Beinpaare, vier Laufbeinpaare und ein Zangenbeinpaar, die großen Scheren. Eigentlich flüchten Strandkrabben mit dem Ebbstrom in die tieferen Priele, gelegentlich sind sie aber nicht schnell genug und graben sich dann im weichen Boden ein. Mit der Flut kehren sie wieder zurück.
An die Rahmenbedingungen im Wattenmeer sind auch die Fressfeinde der Bodenbewohner in bemerkenswerter Weise angepasst: Die Watvögel, die so heißen, weil sie bereits bei nicht vollständiger Ebbe mit der Nahrungssuche beginnen und der sich zurückziehenden Wassergrenze dabei folgen, sind bestimmten Bodenbewohnern als Hauptnahrungsquelle angepasst: Je größer ihre Schnäbel, desto tiefer im Boden lebt die Beute (vgl. Abb. 6).